Konrad Graser war Projektleiter des DFAB House. next floor schaut mit ihm auf dieses aussergewöhnliche Projekt zurück und wirft einen Blick auf die nächsten Evolutionsschritte des digitalen Bauens.
Grundsätzlich sind die Rückmeldungen der darin Wohnenden durchs Band positiv. Auch jene zum Wohngefühl, die wissenschaftlich nicht belegbar sind. Natürlich gibt es einzelne Problematiken, aber die waren schon vor Baubeginn bekannt. Weil wir auf der NEST-Plattform besonders leicht bauen mussten, fehlt uns im DFAB House in Bezug auf die sommerlichen Hitzespitzen etwas die Masse. Aber diesen Kompromiss zwischen Statik und Bauphysik gingen wir bei diesem Lehrstück bewusst ein.
Ja, mehrere Teilprojekte werden weiterbegleitet. So sind beispielsweise in der Smart-Slab-Geschossdecke Sensoren eingebaut, welche Verformungen messen können. Eine solch spezielle, nicht der gängigen Norm für Betondecken entsprechende Geometrie längerfristig zu begleiten, ist sehr interessant. Das bringt uns neue Erkenntnisse zum Schwindverhalten und zu den Langzeitverformungen des verwendeten Spezialbetons. Ein Ziel dieser Weiterbegleitung ist, die Materialoptimierung weiter voranzutreiben.
Die grösste Herausforderung beim DFAB House war, dass es sehr viele verschiedene, parallel laufende Teilprojekte gab.
Konrad Graser, Projektleiter DFAB House
Der liegt in der Integration der Prozesse. Die digitale Bauausführung steht ja nicht alleine, das fängt im Entwurf an, geht über die Planung bis zur physischen Ausführung auf der Baustelle. Weil alles digital durchläuft, können sehr viele Fehlerquellen und Ineffizienzen eliminiert werden. Zudem braucht es einzelne Schritte nicht mehr – wenn beispielsweise die Schalung durch die neue Methode nicht mehr notwendig ist, spart man Zeit und Aufwand dafür. Und zudem entsteht auch kein Abfall.
Die grösste Herausforderung beim DFAB House war, dass es sehr viele verschiedene, parallel laufende Teilprojekte gab. Grundsätzlich konnten wir alle Technologien vor dem Baustart auf den gewünschten Stand bringen. Allerdings erfordert der Prozess des Hochskalierens Kompromisse. Erstens war alles ganz frisch, weil es direkt aus der laufenden Forschung kam. Und zweitens wollten wir ein bewilligungsfähiges Projekt. Da brauchte es Justierungen an einzelnen Zielvorstellungen. Im «Labor» lag die Dimensionierung der geschwungenen Betonmauer bei gerademal acht Zentimetern und die Holzkonstruktion war ursprünglich ebenfalls einiges filigraner. Um die Brandschutzauflagen zu erfüllen, mussten wir diese Bauteile stärker dimensionieren als von der Statik her notwendig.
Doch, doch! Das NEST-Gebäude wurde von der Gemeinde bewilligt und auch jede einzelne NEST-Unit braucht eine Baubewilligung. Das ist für die Forschenden sehr instruktiv. Durch diesen Prozess durchzugehen, heisst gut erklären, gut nachweisen und verifizieren. Die genialsten Ideen sind nur so gut, wie sie den Praxistest bestehen. Und der fängt bei der Baubewilligung an. Beim DFAB House haben übrigens nicht nur wir Neuland betreten. Das musste auch die Bewilligungsbehörde in Dübendorf tun. Denn auch für sie war ja alles neu!
Das braucht Zeit, da tasten wir uns an den Markt heran. Eine Erfindung und der Erfindergeist der Forschenden sind das eine, die Bedürfnisse der Bauindustrie das andere. Diese beiden Ebenen verzahnen sich nicht unbedingt auf Anhieb. Man soll wegen dem Neuen nicht alles Bisherige umwerfen. Man muss Synergien und Kompatibilität suchen und finden. Wir müssen schauen, wo die Stärke der Maschine und wo die des Menschen liegt. Auf dem Weg zur Marktreife einer neuen Methode kommen immer mehr die ökonomischen Realitäten hinzu. So wie ich es einschätze, sind die Fassadenstützen und das Mesh-Mould-Verfahren auf diesem Weg bereits sehr weit.
Ja, sicher! Da machen wir die Tür für die Architektur weit auf. Mit dem digitalen Bauen werden Dinge möglich, die in der Welt der analogen Bauausführung undenkbar waren oder angesichts des enormen Aufwands als nicht realisierbar galten. Die individuell variierenden Akustik-Gipskacheln im KKL Luzern aus den Neunzigerjahren wären heute geradezu prädestiniert für eine digitale Fabrikation im 3-D-Druckverfahren. In der STEP2-Unit neben dem DFAB House entwickelt ein Forscherteam gerade eine neuartige Akustiklösung aus dem 3-D-Drucker, die dezent in die Filigrandecke integriert wird und den Architektinnen und Architekten eine grosse Gestaltungsfreiheit bietet. Wir Menschen haben einen Hang zu Individualität, eine gewisse Einzigartigkeit von Räumen hat einen positiven Effekt auf uns. Das digitale Bauen kann das sehr viel einfacher möglich machen.
STEP2 wird 2022 fertiggestellt. In den drei Jahren seit der Eröffnung des DFAB House ging die Evolution von der Machbarkeitsdemo oder den Prototypen ein Stück weiter Richtung Marktreife. Der Lead hat sich bei STEP2 zu den Industriepartnern verschoben und die Bedürfnisse der Industrie und des Marktes stehen stärker im Vordergrund.
Zum Beispiel das Direktdrucken von Beton. Dabei trägt ein 3-D-Drucker Schicht für Schicht auf. Der reine Druckprozess ist auch im grossformatigen Bereich bereits erfreulich weit entwickelt, aber die automatisierte Integration der Armierungseisen und der Medien ist in diesen Dimensionssphären noch nicht befriedigend gelöst. Zum Vergleich: Für die Deckenelemente im DFAB House druckten wir die Schalung als Negativ und gossen diese Form mit Beton aus. Wenn es gelingt, solche Bauteile direkt als Betonpositiv zu drucken, wird das ein Quantensprung.