The Art of Schindler
Der Aufzug sei ein sehr persönlicher Raum, findet die Farbgestalterin Marcella Wenger-Di Gabriele. Beim Design gehe es immer auch um den Kontext und die Komposition.
Frau Wenger, gibt es Farben, die sich für das Innere eines Aufzugs besser eignen als andere?
Nein, solche allgemeingültigen Rezepte gibt es aus meiner Sicht nicht. Farben sind sehr stark vom Kontext abhängig, und sie wirken auf jeden Menschen unterschiedlich. Wichtig erscheint mir, dass die Farbgestaltung in einem Aufzug mit Augenmass geschieht. Der Aufzug ist ein sehr persönlicher Raum, er ummantelt einen im wahrsten Sinne des Wortes. Da dürfen die verwendeten Farben nicht übergriffig sein.
Übergriffig?
Ja, ich kenne ein Spitalgebäude, dessen Aufzüge zitronengelb sind. Das ist übergriffig, weil ich im Aufzug keine Möglichkeit habe, mich dieser Farbe zu entziehen. Ganz abgesehen davon, dass Zitronengelb den Fahrgästen eine ungesunde Gesichtsfarbe verleiht, was in einem Spital ungünstig ist. Aus meiner Sicht sollten Farben in Aufzügen subtiler eingesetzt werden, vielleicht als Teil einer Komposition oder zum Erzeugen eines bestimmten Effekts. Es geht um das Zusammenspiel der einzelnen Elemente, wie bei einem schönen Stück Jazz.
Woran orientieren Sie sich als Farbgestalterin, wenn Sie vor der Aufgabe stehen, einem Aufzug Farbe zu verleihen?
Ich denke an die Nutzerinnen und Nutzer des Aufzugs, und ich schaue mir den Kontext an – also das Gebäude, in dem sich der Aufzug befindet, und den Raum, aus dem man in den Aufzug tritt. Ein dunkler Boden in einem Lift kann problematisch sein, wenn ich von einem helleren Boden herkomme. Dann befürchte ich instinktiv, ich könnte in ein Loch fallen. Der Aufzug ist Teil des gesamten Erschliessungskonzepts eines Gebäudes, deshalb gilt es auf diese Zusammenhänge zu achten.
Wann mögen Sie einen Aufzug?
Für mich ist die Fahrt im Aufzug ein Erlebnis, das im Optimalfall alle Sinne anspricht. Deshalb achte ich nicht nur auf Farben, sondern auch auf die Haptik der Bedienelemente oder auf die Stimme, die mich begrüsst und mir sagt, wo ich mich befinde. Und ich mag es, wenn ich etwas von der Fahrt spüre, sonst kommen meine Sinne nicht mit.
Welche Aufzugfahrt ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Ich liebe den Aufzug im Haus der Buchdrucker in Berlin. Er ist aus Glas, in bronzefarbenes Gitter gehüllt, und fährt durch ein wunderschön ornamental gestaltetes Treppenhaus mit keramischen Fliesen und kunstvoll geschmiedeten Handläufen. Die Farben sind sehr dunkel, aber es gibt rote und orangefarbene Akzente. Umwerfend schön.
Gibt es Farben, die im Raumdesign derzeit besonders im Trend liegen?
Die gibt es. Aber da müsste ich zuerst nachschauen, welche das aktuell sind (lacht).
Sie halten nicht besonders viel davon.
Nein, Trendfarben sind etwas für den Markt. Da geht es um den Absatz von Farbe, nicht um die Gestaltung mit Farben. Keine Farbe hat es verdient, Trend zu sein. Jede Farbe ist richtig, wenn sie den Kontext sinnvoll bereichert.
Der Aufzug ist ein sehr persönlicher Raum, er ummantelt einen im wahrsten Sinne des Wortes.
Marcella Wenger-Di Gabriel ist selbständige Farbgestalterin und Co-Leiterin vom Institut des Hauses der Farbe, Fachschule für Gestaltung in Handwerk und Architektur in Zürich. Das Haus der Farbe umfasst eine Schule und ein Institut für Gestaltung in Handwerk und Architektur. Es steht für die Verbindung von Experiment und tradierten Werten und legt den Fokus auf die Vermittlung. Die drei Bildungsgänge Farbgestaltung in der Architektur, Gestaltung im Handwerk und der Vorkurs Dekorationsmaler*in fördern das gegenseitige Verständnis von Handwerk und Architektur. Das Institut forscht, dokumentiert und berät zu Themen wie Farb- und Handwerkskultur, aktuelle und historische Farbgebung und Architekturoberflächen.